Pressemitteilung
Kommunen haben die Pflicht, ihre Einwohner vor zu großer Strahlenbelastung zu schützen
Vorsorgen ist besser als Prozessieren. In seiner Presseerklärung zum geplanten Ergertshausener Mobilfunkstandort weist der ÖDP-Kreisverband auf die Möglichkeiten hin, die Kommunen wahrnehmen können, um nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln.
Die Rechtmäßigkeit der Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung wurde erstmals von einem Gericht deutlich in Frage gestellt.
In der EU gilt das Vorsorgeprinzip. Einen Kausalitätsnachweis zum Handeln braucht es nicht, es reicht bereits ein Besorgnispotential. Die Gemeinde habe gerade hinsichtlich junger Menschen aufgrund erhöhter Elektrosensibilität und Schutzbedürftigkeit einen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der u. a. "empfindliche Orte", "sensible Einrichtungen " und "Wohneinrichtungen" betreffe. Den größtmöglichen Schutz erreicht eine Gemeinde durch ein kommunales Mobilfunkkonzept mit ausgewiesenen Alternativstandorten und durch den Ausschluss gewisser Gebiete im Bebaungsplan. Die Rechtsgutachten von Nitsch/Weiss/Frei (2020) und die vielen Fachartikel des Juristen Bernd I. Budzinski haben bereits nachgewiesen, dass die kommunale Autonomie den Kommunen das Recht zu einer Steuerung des Aufbaus der Mobilfunkinfrastruktur gibt. Brückner entwickelt diese Begründung weiter. "Die Kommunen haben nicht nur das Recht, das sie nach Belieben wahrnehmen können oder auch nicht, sondern die Pflicht, ihre Einwohner auf Grund des Gefahrenpotentials der Strahlung, der Untauglichkeit der Grenzwerte und des Versagens der Bundesbehörden zu schützen".
Das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen kennt nach eigener Angabe keine verbindlich gesetzlichen Aussagen über Mindestentfernungen für Mobilfunkmasten zur Wohnbebauung. Wissenschaftliche Studien zeigen aber, der Abstand ist der entscheidende Punkt für die menschliche Gesundheit, denn wenn eine Mobilfunkanlage ein elektromagnetisches Feld erzeugt, so breiten sich die elektromagnetischen Wellen gleichmäßig kegelförmig in alle Richtungen aus. Sowohl die Strahlungsdichte wie auch die Feldstärke nehmen ab, je weiter man sich von der Anlage entfernt. Die Strahlung einer Mobilfunkbasisstation ist dauerhaft und aufgezwungen, die Benutzung des Handys ist temporär und vom Nutzer selbst steuerbar. Das ist der wesentliche und entscheidende Unterschied.
Zur Erinnerung: Im August 2021 erteilte die Bundesnetzagentur der Telekom eine Standortbescheinigung für einen Mobilfunkmasten in Bodenheim bei Mainz. Gegen diese Standortbescheinigung legte dazu ein Ehepaar Widerspruch und Klage ein. Das Ehepaar ist direkt betroffen, die beiden wohnen nur 430 Meter vom geplanten Mast entfernt. Diese Klage wurde wegen angeblicher Fristfehler vom Verwaltungsgericht Mainz als unzulässig abgewiesen. Daraufhin ging das Ehepaar in Berufung - und hatte Erfolg. Entscheidend ist, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz eine Sachverhaltsaufklärung zu den Mobilfunk-Grenzwerten angeordnet hat, um die Rechtmäßigkeit der Standortbescheinigung des Mobilfunkmasten zu überprüfen. Das Verwaltungsgericht (VG) Mainz muss also die Klage neu verhandeln - und zwar mit einer inhaltlichen Klärung, ob die für Mobilfunkstrahlung geltenden Grenzwerte die körperliche Unversehrtheit der Menschen gewährleisten. Diese wird durch das Grundgesetz, genauer durch Artikel 2 Absatz 2, geschützt.
Bis zum Abschluss des Verfahrens in Mainz sollten sich alle Beteiligten auf ein Moratorium des Mobilfunkausbaus in Ergertshausen einigen. Denn wer jetzt den Mobilfunk weiter ausbaut, obwohl die Rechtmäßigkeit der Grenzwerte von einem Gericht erstmals deutlich in Frage gestellt wurde, handelt zumindest politisch unklug. Bürgerinnen und Bürger, die vom geplanten Bau eines Mobilfunkmasten betroffen sind, können nun unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung ebenfalls eine Klage einreichen. Bürgerinitiativen könne sie z. B. im Rahmen einer solidarischen Klage finanziell und personell unterstützen und gleichzeitig dazu Pressearbeit durchführen.